Patient Blood Management (PBM)
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Kennst du die drei Säulen des Patient Blood Managements?
- Behandlung einer präoperativen Anämie
- bedachter Einsatz von Blutprodukten
- fremdblutsparende Maßnahmen
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Welche Vorteile hat das Patient Blood Management?
Erhöhung der Patientensicherheit
- Behandlung der präoperativen Anämie verringert die Krankenhaussterblichkeit und weitere Komplikationen
- Transfusionszwischenfälle / Infektionen werden verringert
- ressourcensparend → Patienten, die zwingend eine Blutkonserve benötigen, können problemlos behandelt werden
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Schätzfrage: Wo liegt Deutschland im internationalen Vergleich beim Einsatz von Blutkonserven?
Deutschland setzt soviel Fremdblut ein wie kein anderes Land. Schätzungen zufolge könnte etwa jede dritte Bluttransfusion eingespart werden, wenn das Patient Blood Management stringent umgesetzt werden würde. In Deutschland werden pro 1000 Einwohner etwa 48 Bluttransfusionen durchgeführt. In den Niederlanden, wo nur etwa 25 Bluttransfusionen auf 1000 Einwohner durchgeführt werden, wird das Patient Blood Management konsequent - zu Gunsten der Patienten - umgesetzt. Leider wird das PBM zur Zeit in Deutschland nicht flächendeckend eingesetzt. Die fehlende Umsetzung ist allerdings nicht ausschließlich dem medizinischen Personal geschuldet. Im niedergelassenen Bereich ist die präoperative Anämiebehandlung mit Ferinject z.B. teuer und sprengt so manches Budget. Eine Flasche Ferinject kostet rund 180 Euro und ist im Gegensatz zu der oralen Therapie, die deutlich länger dauert, vergleichsweise teuer. Daher sind es auch leider häufig Kostenfragen, die die Umsetzung des Patient Blood Management erschweren.
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Früher wurde als Hauptproblem bei der Transfusion von Fremdblut das Infektionsrisiko gesehen. Welches Problem ist in den letzten Jahren in den Vordergrund geraten?
Neben dem Infektionsrisiko müssen immunologische Probleme bedacht werden. Der Einsatz von Fremdblut sollte immer sehr sorgfältig überdacht werden, da die Schäden, die verursacht werden können, doch stärker sind, als früher vermutet wurde.
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Kommen wir zur ersten Säule. Warum ist die Behandlung einer präoperativen Anämie wichtig?
Wenn die präoperative Anämie unbehandelt bleibt, hat das dramatischen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Eine präoperative Anämie ist ein Risikofaktor und erhöht die Sterblichkeit, die Morbidität, verlängert den Krankenhausaufenthalt und führt verstärkt zum Verbrauch von Blutprodukten, die zum einen Nebenwirkungen haben können und zum anderen eine begrenzte Ressource darstellen.
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Bei welchen Patienten sollte ein besonders starkes Augenmerk auf das Aufdecken einer präoperativen Anämie gelegt werden?
- verschiebbare Operationen mit erwarteten Blutverlusten über 500 ml
- verschiebbare Operationen mit einer Transfusionswahrscheinlichkeit über 10 Prozent
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Wann sollte die Diagnostik diesbezüglich starten?
möglichst frühzeitig (4 bis 6 Wochen vor der elektiven Operation)
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Was unternimmst du im Falle einer präoperativen Anämie?
- Ursachenabklärung → fachärztliche Vorstellung
- Behandlung → wenn ein Eisenmangel vorliegt, sollte eine Eisensubstitution erfolgen, ansonsten spezifische Behandlung der zugrunde liegenden Ursache
- ggf. Verschiebung der Operation
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Wie erfolgt die Eisensubstitution?
Da eine enteral Gabe in dem kurzen Zeitraum vermutlich keine ausreichende Wirkung erzielt, wird die parenterale Substitution empfohlen.
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Macht eine Behandlung auch dann noch Sinn, wenn der Eisenmangel ungünstigerweise erst wenige Tage vor dem Eingriff diagnostiziert und behandelt wird?
Das kann deutlich bejaht werden. Es konnte gezeigt werden, dass die Eisengabe ein paar Tage vor dem Eingriff und selbst noch postoperativ zu einem Hämoglobinanstieg führt, der sich positiv auswirkt. Wünschenswert für den Patienten ist allerdings eine Therapie, die bereits mehrere Wochen vorher beginnt.
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Kommen wir zur zweiten Säule. Welche fremdblutsparenden Maßnahmen sind dir bekannt?
- keine unnötigen Blutentnahmen
- möglichst kleine Blutröhrchen bzw. niedrigere Füllhöhe, wenn es dafür die labortechnischen Voraussetzungen gibt
- möglichst minimalinvasive Operationsmethoden
- Blutsperre während der OP
- maschinelle Autotransfusion
- optimales Gerinnungsmanagement
- Korrektur der physiologischen Rahmenbedingungen, die die Gerinnung beeinflussen
- Eigenblutspende vor der Operation
- ggf. medikamentöse Behandlung
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Welche physiologischen Rahmenbedingungen der Gerinnung, die überwacht werden sollen, könnten gemeint sein?
- Körpertemperatur
- ionisiertes Kalzium (Kalzium ist unabdingbar für eine gute Gerinnung)
- pH-Wert (bei einer Azidose wirken die Gerinnungsfaktoren nicht perfekt)
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Welche Vorteile hat die Blutsperre?
- Minimierung des Blutverlustes
- freie Sicht für das Operationsteam
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Wie wird die Blutsperre erreicht?
Eine aufblasbare Manschette wird nah am Körperstamm an der betroffenen Extremität aufgepumpt und somit die Blutzufuhr unterbunden.
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Wie hoch muss der Druck sein?
Die Extremität sollte vorher kurz hochgelagert werden, damit das Blut zurückfließt. Die Manschette sollte anschließend mit einem Druck aufgepumpt werden, der deutlich höher liegt als der arterielle systolische Blutdruck des Patienten.
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Welche Risiken sind dir bekannt?
- Druckstellen und Nekrosen
- Thrombose / Lungenembolie
- arterielle Embolie (bei bestehender pAVK kann sich Plaque durch die hohen Drücke lösen)
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Was ist im Unterschied zur Blutsperre die Blutleere?
Wenn bei einer Operation das Operationsgebiet besonders gut eingesehen werden muss, kann auch eine Blutleere herbeigeführt werden. Hierbei wird vor dem Schließen der Blutsperre das Restblut in den Armen oder Beinen mit einer Esmarch-Binde durch Auswickeln entfernt.
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Was ist eine maschinelle Autotransfusion?
Intraoperativ wird das Blut aus dem Operationsgebiet aufgefangen, aufbereitet und dem Patienten wieder zugefügt.
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Kennst du Fälle, wo die maschinelle Autotransfusion kontraindiziert ist?
- Tumorchirurgie (Tumoraussaat durch die Autotransfusion möglich)
- Infektionen (Keime gelangen in die Blutbahn)
- lokaler Einsatz von Substanzen, die nicht in die Blutbahn gelangen sollen (desinfizierende Spüllösungen, Antibiotika, die nicht für den intravenösen Gebrauch gedacht sind)
- wenn die Gefahr besteht, dass proteolytische Enzyme aufgesaugt werden, die z.B. die Blutgerinnung stören können (Magensaft oder amniotische Flüssigkeit)
- Patienten nach HIT II (das aufgefangene Blut wird mit Heparin gespült)
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Welche Medikamente könntest du prä-, intra- oder postoperativ einsetzen, um Fremdblut zu sparen?
- Tranexamsäure → senkt das intraoperative Blutungsrisiko z.B. bei Hüftoperationen
- Desmopressin → unterstützt die primäre Hämostase z.B. bei Blutungskomplikationen unter ASS-Therapie
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Wie wirken diese zwei Medikamente?
- Tranexamsäure → Antifibrinolytika, das die Umwandlung von Plasminogen zu Plasmin hemmt und demzufolge kann Plasmin weniger Fibrin spalten
- Desmopressin → setzt verstärkt den vWF frei
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Kommen wir zur dritten Säule und damit zum rationalen Einsatz von Blutprodukten. Würdest du bei einem Hb von >8 g/dL eine Transfusion durchführen?
Nein, bei dem Hb ist keine Transfusion indiziert.
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Wann wird im Rahmen des Patient Blood Management eine Transfusion unabhängig von anderen Parametern empfohlen?
Bei einem Hb <6 g/dL sollte eine Transfusion durchgeführt werden.
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Wovon hängt ab, ob du bei einem Hb zwischen 6 und 8 g/dL eine Transfusion durchführst?
- Kompensationsfähigkeit des Patienten (z.B. eingeschränkt bei kardialen Vorerkrankungen)
- Vorhandensein einer Hypoxie, die durch die Anämie verursacht wurde (z.B. Laktatanstieg, Schockzustand)
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Eine Patientin hat gehört, dass nach einer Transplantation von Fremdblut ein Tumorrezidiv begünstigt wird. Stimmt die Aussage der Patientin?
Dieser Zusammenhang wird aktuell diskutiert. Es wird davon ausgegangen, dass das Immunsystem nicht an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen kann. Nach einer Tumorerkrankung ist es damit beschäftigt, den Krebs in Schach zu halten. Sollte dann eine Bluttransfusion erfolgen, lösen die transfundierten Erythrozyten eine Immunreaktion aus, um die sich das Immunsystem dann kümmern muss und vernachlässigt dann unter Umständen die Bekämpfung der Krebserkrankung.
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Wenn du dich an deine praktischen Einsätze erinnerst, galten wahrscheinlich andere Richtwerte. Woran könnte das liegen?
Die Bundesärztekammer gibt Richtwerte raus, die nicht so restriktiv sind wie die im Rahmen des Patient Blood Managements, daher weicht das praktische Vorgehen häufig von diesen Werten ab.
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Gelten diese Richtwerte auch im Notfall, wenn es akut zu einem massiven Blutverlust kommt?
Nein, ein schneller Blutverlust ist für den Körper schwer zu kompensieren, daher wird die Indikation zur Transfusion großzügiger und nach anderen Maßstäben gestellt.