Fall 3

FALL

Eine Mutter sucht mit ihrem 5-Jährigen Sohn die Notaufnahme auf, weil ihr Sohn seit heute morgen blutige Durchfälle hat. Schon in den Tagen davor ist ihr Kind sehr anhänglich gewesen und hat das Essen verweigert und litt unter Durchfall und Fieber. Das Kind hat vor Stunden zum letzten Mal eine geringe Menge Wasser gelassen. Der Urin, so die Mutter, sah blutig aus. Das Blutbild liegt noch nicht vollständig vor, aber eine Thrombozytopenie ist schon übermittelt worden.

Krankheitsbild

  • Wie lautet deine Verdachtsdiagnose?

    Hämolytisch-urämisches-Syndrom (HUS)

  • Kannst du den Pathomechanismus dieser Erkrankung erläutern?

    Ursächlich ist meist eine Infektion mit EHEC oder Shigellen. Die Bakterien können an Darmepithelien binden und deren Toxine die Darmwand zerstören und die blutigen Diarrhoen auslösen. Das Toxin gelangt darüber hinaus in die Blutbahn und kann an Rezeptoren des glomerulären Endothels binden. Durch diese Endothelschädigung in der Niere kommt es zu einem übermäßigen Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten (Thrombozytopenie). Gerinnsel können sich dadurch bilden und die Glomeruli verschließen. Folge kann ein Nierenversagen sein.

  • Die Erkrankung wird in zwei Formen unterteilt. Kannst du eine grobe Unterteilung verbalisieren?

    typisches HUS 

    • im Rahmen einer Infektion mit EHEC oder Shiga-Toxin

    atypisches HUS 

    • ohne Diarrhö / keine Infektion (eher selten und prognostisch ungünstig)
  • Welche Patientengruppe ist von der klassischen Verlaufsform am häufigsten betroffen? Kannst du das auch begründen?

    Bei Kindern ist die Anzahl der Rezeptoren, an die das Toxin auf dem Darmepithel binden kann, höher als bei Erwachsenen.

  • Kennst du die drei typischen Krankheitszeichen?

    • akutes Nierenversagen (Hypertonie, Ödeme, Anurie)
    • Thrombozytopenie
    • intravasale Hämolyse
  • Auf die Entstehung der ersten zwei Krankheitszeichen sind wir bereits eingegangen. Wie lässt sich die Hämolyse erklären?

    EHEC kann Hämolysin, ein bakterielles Exotoxin, bilden, das wiederum eine Hämolyse herbeiführt.

Diagnostik

  • Du forderst ein Blutbild an. Welche Ergebnisse erwartest du?

    • Thrombozytopenie
    • Anämie
    • Hämolysezeichen
    • metabolische Azidose
    • erhöhte Retentionswerte (Harnstoff/Kreatinin)
  • Zusätzlich hast du auch einen Blutausstrich angefordert. Was würdest du hier typischerweise finden?

    Fragmentozyten (entstehen durch Schädigung der Erythrozyten)

  • Auf welche Elektrolytstörung solltest du ein besonderes Auge haben?

    Hyperkaliämie/Azidose


    • Hämolyse → Kalium wird aus den Erythrozyten freigesetzt
    • Nierenversagen → Kalium wird nicht ausgeschieden
  • Was möchtest du vom Pflegeteam regelmäßig überwacht haben?

    nephrologische Überwachung (Gewichtskontrolle, Flüssigkeitsbilanz und Blutdruck)

  • Welche Laboruntersuchungen führst du neben dem Blutbild noch durch?

    • Urin → Hämaturie und Proteinurie
    • Stuhluntersuchung → Erregersuche und Toxinnachweis
  • Welche apparative Untersuchung schließt sich noch an?

    Sonographie der Nieren


    • Nieren möglicherweise vergrößert
    • erhöhte Rinden-Echogenität
    • verminderte Echogenität des Rindenmarks

Threapie

  • Es spricht nun alles für deine Verdachtsdiagnose. Welche Therapieoptionen stehen zur Verfügung?

    • Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution → Behandlung der Diarrhö
    • ACE Hemmer → Hypertoniebehandlung
    • Dialyse/Diuretische Therapie → Behandlung der NIS
    • Plasmapherese und Austausch von Plasma durch gefrorenes Frischplasma → Toxin-Eliminierung
    • nur bestimmten Fälle vorbehalten → Glucocorticoide, Eculizumab, Antibiotika
  • Nenne zwei therapeutische Möglichkeiten, die du bei deinem Patienten unterlassen solltest?

    • Gabe von Loperamid oder ähnlichen Substanzen, die die Darmperistaltik hemmen, da dadurch die Ausscheidung der Toxine verlangsamt wird
    • Thrombozytentransfusionen können das Krankheitsbild verschlimmern
  • Warum ist die Antibiotikagabe umstritten?

    Durch den Bakterienzerfall werden Toxine freigesetzt, die das Krankheitsbild verschlimmern können. 

Komplikationen

  • Welche Komplikationen sind zu befürchten?

    • ZNS-Beteiligung
    • chronische Niereninsuffizienz

Differentialdiagnosen

  • Welche andere Erkrankung musst du auf jeden Fall ausschließen?

    Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) 

  • Kannst du dieses Krankheitsbild grob beschreiben?

    Störung der Zinkprotease ADAMTS 13


    • normalerweise spaltet diese Protease den vWF, der für die Quervernetzung der Thromben und die Anheftung an das Endothel verantwortlich ist
    • bei Verminderung der Zinkprotease kommt es zu einer erhöhten Thrombenbildung in den Kapillaren → Symptome wie bei dem hämolytisch-urämischen-Syndrom
  • Warum ist die Unterscheidung so wichtig?

    Es ist schwierig die TTP von dem atypischen HUS zu unterscheiden. Bei einem atypischen HUS führt die zügige Einleitung einer Therapie mit Eculizumab zu einer Mortalitätssenkung, daher ist die Differenzierung dieser zwei Krankheitsbilder so eminent.

  • Beide genannten Erkrankungen werden zusammengefasst, wie bezeichnet?

    Thrombotische Mikroangiopathie → HUS und TTP

  • Kennst du weitere Differentialdiagnosen?

    • Glomerulonephritis
    • hämolytische Anämie
    • Nierenvenenthrombose
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