FALL

Eine 23-Jährige Patientin mit Thromboserezidiv wird dir vom Hausarzt übergeben. Vor zwei Jahren hat die Patientin einen Apoplex erlitten, von dem sie sich mittlerweile wieder erholt hat. Sie ist zudem in psychologischer Behandlung, weil sie in den letzten vier Jahren schon drei Aborte hatte.

Verdachtsdiagnose

  • Wie lautet deine Verdachtsdiagnose?

    Antiphospholipid-Syndrom

  • Kannst du grob die Pathologie dieser Erkrankung erläutern?

    Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung. Die Antikörper führen zu einer Hyperkoagulabilität, indem sie mit Bestandteilen des Blutes interagieren. Ein vermuteter Mechanismus: Die Antikörper bilden mit Protein C und S einen Komplex und inaktivieren diese. Normalerweise sind diese beiden Proteine zuständig, Gerinnungsfaktoren zu inhibieren. Durch den Wegfall der Inhibition der Gerinnungsfaktoren, entsteht eine Thromboseneigung.

  • Neben der primären Form gibt es auch eine sekundäre Form. Weißt du, welche Erkrankungen assoziiert sind?

    • SLE (am häufigsten)
    • Malignome, Rheumatoide Arthritis, HIV, Medikamentennebenwirkung

Diagnostik

  • Kennst du die Diagnosekriterien?

    Ein Antiphospholipid-Syndrom liegt vor, wenn ein klinisches Kriterium und ein serologisches Kriterium zutrifft. (Das serologische Kriterium ist nur erfüllt, wenn die Antikörper zwei Mal und über einen Zeitraum von 12 Wochen hinweg nachgewiesen werden können.)


    Klinische Kriterien:

    • arterielle oder venösen Thromben
    • Schwangerschaftskomplikationen (Thrombosen in der Plazenta)

    Serologische Kriterien:

    • positiver Lupus-Antikoagulanz-Test
    • Anti-Cardiolipin-Antikörper (IgG oder IgM)
    • Anti-ß2-Glykoprotein-1-Antikörper

Komplikationen

  • Welche Komplikationen können im Rahmen der Erkrankung auftreten?

    • neurologisch → Apoplex, Sinusvenenthrombose, Migräne, Epilepsie
    • pneumologisch → Lungenembolie
    • kardiologisch → Myokardinfarkt, Kardiomyopathie
    • nephrologisch → Niereninfarkt, Niereninsuffizienz
    • dermatologisch → Ulzera
    • hämatologisch → Thrombozytopenie, Hämolyse
  • Bei den Komplikationen wird auch regelmäßig das katastrophale APS aufgeführt. Weißt du, was damit gemeint ist?

    Es kommt in mindestens drei Organen zu Verschlüssen. Es handelt sich um ein lebensbedrohliches Krankheitsbild mit hoher Mortalität. Die Eliminierung der Antikörper wird mit einer Cyclophosphamid-Bolustherapie und der Plasmapherese versucht.

Therapie

  • Welche Langzeittherapie würdest du deiner Patientin nach stattgehabter Thrombose empfehlen?

    • allgemeine Thromboseprophylaxe
    • ohne Kinderwunsch → Vitamin-K-Antagonisten (INR 2 - 3), andere orale Antikoagulantien sind nicht zugelassen
    • mit Kinderwunsch → NMH plus ASS
  • Jahre später kommt die Patientin überglücklich in deine Praxis und berichtet dir, dass sie nach etlichen Fehlgeburten endlich schwanger ist. Sie nimmt zur Zeit NMH und ASS und ist regelmäßig in gynäkologischer Behandlung. Was ist bei dieser Medikation im Bezug auf die Schwangerschaft zu berücksichtigen?

    Unter ASS Therapie kann es im fetalen Kreislauf - gerade gegen Ende der Schwangerschaft - vorzeitig zum Verschluss des Ductus arteriosus kommen:


    • gegen Ende der Schwangerschaft nimmt die Empfindlichkeit für Prostazykline am Ductus, die für die Offenheit verantwortlich sind, ab
    • gleichzeitig nimmt die Empfindlichkeit für Prostaglandine-Hemmer (z.B. ASS) zu

    Daher ist die ASS Gabe in den ersten zwei Trimena möglich, aber im letzten Drittel nicht mehr zu empfehlen, da ein vorzeitiger Verschluss eine pulmonale Hypertonie beim Kind zur Folge hat.